Das Gefühl, „nicht richtig“ zu sein
In meiner Praxis erlebe ich oft, dass Menschen mit psychischen Problemen das Gefühl haben, mit ihnen stimme grundsätzlich etwas nicht. Sie halten sich für verrückt, gestört oder irgendwie falsch. Sie glauben, sie seien schwach, empfindlich oder nicht belastbar genug.
Bei körperlichen Krankheiten ist das anders: Wenn jemand eine langwierige körperliche Erkrankung hat, begegnet ihm meist Mitgefühl. Niemand stellt infrage, ob diese Person in Ordnung ist. Bei seelischem Leid hingegen schämen sich viele – und haben das Gefühl, sie seien nicht mehr „brauchbar“ für die Gesellschaft.
Gesellschaftlicher Druck und Unverständnis
Ein großes Problem ist nach wie vor die gesellschaftliche Haltung gegenüber psychischer Gesundheit. Viele Betroffene erleben Unverständnis, oft sogar im engsten Umfeld. Aussagen wie „Stell dich nicht so an“, „Mach das doch einfach“ oder „Warum ist das so schwierig?“ verletzen – auch wenn sie vielleicht nicht böse gemeint sind.
Aber Menschen, die so etwas sagen, wissen oft nicht, wie es ist, auf der anderen Seite zu stehen. Sie kennen die Ängste, die Überforderung, das lähmende Gefühl von innen heraus nicht – und geben deshalb Ratschläge, die oft mehr schaden als helfen.
Wenn Ratschläge zum Schlag werden
Ein Ratschlag kann – im wahrsten Sinne – auch ein Schlag sein. Denn er kommt aus der eigenen Perspektive: „Ich würde das so machen“. Aber was für den einen hilfreich scheint, kann für den anderen das Gegenteil bewirken.
Deshalb ist es so wichtig, jemanden zu finden, der neutral bleibt. Jemanden, der nicht wertet, sondern begleitet – und das meist besser kann als jemand aus dem engen persönlichen Umfeld. Dafür braucht es professionelle, geschulte Unterstützung.